Gesundheit für alle – jetzt!

Das Team vom alstersnack hatte großen Spaß beim Fotoshooting

Gesundheit ist ein wesentlicher Aspekt von Inklusion und Teilhabe. Wer gesund ist, kann besser mitreden, mitmachen, mitbestimmen. Deshalb hat die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA) die Initiative „Gesundheit für alle – jetzt!“ gestartet.

„Unter diesem Motto wollen wir deutlich machen, wofür wir stehen und uns einsetzen, über unsere Angebote rund um die Gesundheit von Menschen mit Behinderung informieren und zum Austausch und zur Vernetzung einladen“, sagt Uwe Mletzko, Vorstandsvorsitzender der ESA. Allerdings gibt es für Menschen mit Behinderung viele Barrieren im Gesundheitssystem.

Logo Gesundheit für alle
Als Logo für unsere Initiative „Gesundheit für alle – jetzt!“ haben wir uns vom Schlumper-Künstler Werner Voigt inspirieren lassen: Die beiden Figuren sind ein Ausschnitt aus seinem Bild „Alsterdorfer Passion“ über seine Erfahrungen als Anstaltsbewohner.

Deshalb nutzt ESA-Vorstand Ulrich Scheibel die langjährige Erfahrung im Medizin-Bereich der Stiftung und setzt sich seit mehr als zehn Jahren für Verbesserungen ein: „Wir entwickeln innovative Konzepte und Angebote, oft mit Kooperationspartnern. So tragen wir dazu bei, dass unser Gesundheitssystem inklusiver wird.“ Uwe Mletzko ergänzt: „Zwei Bereiche sind dabei besonders wichtig: der Zugang zu guter medizinischer Versorgung, wenn jemand krank ist. Und die Gesundheitsförderung, damit jede*r weiß, was er selbst für seine Gesundheit tun kann. So unterstützen wir Menschen darin, möglichst selbstbestimmt und selbstständig zu leben.“

Ins Leben zurückgelotst

Da ist beispielsweise Dana Kunze*. Ihre Ängste vor medizinischer Behandlung sind so massiv, dass sie seit 15 Jahren nicht mehr beim Arzt war. Dabei hat die 40-Jährige seit einem Jahr so heftige Rückenschmerzen, dass sie nur noch auf einer Matratze auf dem Boden ihres Zimmers liegen kann. Ins Bett ein- und aussteigen, im Rollstuhl sitzen, in die Werkstatt fahren, wie früher am Leben teilnehmen? Alles unmöglich. Dana Kunzes Mutter nimmt schließlich Kontakt zum Sengelmann Institut für Medizin und Inklusion der ESA auf. Sie vereinbaren eine Videosprechstunde mit dem Orthopäden Dr. Arne Kröger. Er empfiehlt zur Diagnostik eine Computertomografie des Rückens im Krankenhaus. Aber davor hat Dana Kunze zu viel Angst.

Auf Augenhöhe und mit Erfahrung: So arbeiten die Expert*innen im SIMI und im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf
Auf Augenhöhe und mit Erfahrung: So arbeiten die Expert*innen im SIMI und im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf – Foto: Max Schröter

Ihre Rettung wird schließlich die ganz konkrete Hilfe, die im „Qualitätsvertrag zur Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schwerer Mehrfachbehinderung im Krankenhaus“, kurz „EKA inklusiv“, steckt. Das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf hat den bundesweit ersten Qualitätsvertrag dieser Art mit der AOK Rheinland/ Hamburg entwickelt. Sie vereinbaren darin eine Reihe von Maßnahmen, die vor allem das Aufnahmemanagement effektiver machen und im Anschluss an die Klinikbehandlung eine lückenlose Anschlussversorgung sicherstellen sollen. Das geschieht mithilfe von „Inklusions-Lotsinnen“, die vor, während und nach dem Klinikaufenthalt an der Seite der Patientinnen sind. Inklusions-Lotsin Meike Lütjens-Kubiessa nimmt Kontakt auf, besucht die Kunzes zu Hause und gewinnt schließlich Dana Kunzes Vertrauen. Die Inklusions-Lotsin begleitet sie ins Krankenhaus zum CT-Termin. Das bislang unmöglich Scheinende gelingt – Dana Kunze lässt sich untersuchen und am Ende kommt heraus: Sie muss nicht operiert werden, Verwringungen und Verspannungen haben die Schmerzen verursacht. Die werden inzwischen physiotherapeutisch behandelt und Dana Kunze kann wieder mehr als fünf Stunden am Stück sitzen. Das bedeutet für sie: Sie kann in ihrem Rollstuhl das Haus verlassen und wieder am Leben teilhaben.

Auf Augenhöhe und mit Erfahrung: So arbeiten die Expert*innen im SIMI und im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf
Joana Roos-Bugiel und Annika Albers engagieren sich in der Initiative „Gesundheit 25*“ für eine bessere wohnortnahe medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung. – Foto: Max Schröter

Ein weiteres Projekt, das mehr Gesundheit für alle bringen soll, ist in diesem Jahr gestartet: „BeSSEr gesund leben“. Die Idee: Obwohl Gesundheitsförderung für Menschen mit Lernschwierigkeiten mindestens so wichtig wäre wie für alle anderen auch, sind sie von diesen Angeboten weitgehend ausgeschlossen. Das sollen Pflegeexpertinnen in allen sieben Hamburger Bezirken künftig ändern: Gemeinsam mit Klientinnen finden sie zunächst heraus, in welchem der Handlungsfelder Ernährung, Bewegung, Sucht und Stressmanagement der Schwerpunkt liegen soll und was individuelle Ziele sein könnten. Dann schauen sie gemeinsam, welche Angebote es im Bezirk gibt, und machen sie zugänglich. Hier gibt es zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit mit den Sport-Lotsinnen von „Sport und Inklusion“. Und auch wenn es in die Phase der Umsetzung geht, bleiben die Pflegexpertinnen in regelmäßigem Kontakt mit ihren Klientinnen. Ob das Ganze zu mehr Wohlbefinden und Gesundheit führt, wird nach einem Jahr wissenschaftlich evaluiert.
Dagmar König ist eine der Pflegeexpertinnen und für das Modellprojekt extra von Nürnberg nach Hamburg gezogen. Die erfahrene Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin hat im Krankenhaus und in der ambulanten Kinderintensivpflege gearbeitet, ihren Master in Advanced Nursing Practice (ANP) gemacht und freut sich am meisten „auf den Kontakt mit den Klient*innen“. Denn es ist ihr ein großes Anliegen zu vermitteln, dass alle Menschen sich etwas zutrauen und so auch Verantwortung für sich übernehmen können.

„Wir wollen Partizipation von Anfang an – von der Entwicklung des Namens für unser Projekt bis zur Evaluation“

Birgit Pohler, Projektleitung „BeSSEr gesund leben“

Die konkrete Beratung startet im Oktober. Menschen mit Behinderungen, die sich auf dem Weg zu mehr Gesundheit begleiten lassen und bei dem Projekt mitmachen möchten, können sich anmelden.
Das gemeinsame Modellprojekt von Evangelischem Krankenhaus Alsterdorf, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), der Fachhochschule Bielefeld, der AOK Hamburg/ Rheinland, dem BKK Landesverband und dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) wird übrigens aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert – und zwar unter dem Namen „FaPP-MgB: Fallmanagement und Pflegeexpertise als Präventionsansatz für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung“.

Partizipation von Anfang an

Weil das nicht gerade ein barrierefreier und leicht verständlicher Name ist, hat sich die Evangelische Stiftung Alsterdorf dafür eingesetzt, gemeinsam mit der Zielgruppe einen passenden und ansprechenden Titel zu entwickeln. „Wir wollen Partizipation von Anfang an“, sagt Projektleiterin Birgit Pohler. Sie wandte sich an „GUT GEFRAGT“. Das Hamburger Unternehmen macht Meinungsforschung in Assistenzangeboten nach dem Peer-Prinzip. Dafür beschäftigt GUT GEFRAGT Evaluator*innen mit Behinderungen und ermittelt auf Augenhöhe die Qualität von Angeboten für Menschen mit Behinderung. Und diese „Peers“ haben in einem Workshop zunächst einmal nachgefragt, um zu verstehen, worum es bei dem Projekt geht. Dann wurde ein Name entwickelt, „von dem sich jeder angesprochen fühlt und der nicht nach Verwaltung klingt und danach, als ginge man irgendwohin, wo man durchleuchtet wird“, sagt Fade Gomes, einer der Peers, die an dem Workshop teilgenommen haben. Der Name sollte keine Angst machen, sondern wie eine freundliche Einladung klingen. Kurz, knackig und verständlich sollte er sein. Und so entstand „BeSSEr gesund leben“ – wobei BeSSEr für die Handlungsfelder Bewegung, Stressmanagement, Sucht und Ernährung steht. Denn „es ist ja schön, dass sich Experten so tolle Projekte ausdenken, aber die, für die sie das machen, müssen es ja auch verstehen“, so Gomes.

Auf Augenhöhe und mit Erfahrung: So arbeiten die Expert*innen im SIMI und im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf
Was kann ich selbst für meine Gesundheit tun? Katharina Wilharm berät im Projekt BESSER gesund leben individuell und persönlich. – Foto: Max Schröter

Auch bei der wissenschaftlichen Evaluation sind Menschen mit Behinderung beteiligt. Ulrich Scheibel, Medizin-Vorstand: „Die Evaluation unserer Ansätze ist uns wichtig, um die Wirksamkeit zu überprüfen und auch Inspiration für andere zu sein. Unsere Erfolge sind ermutigend: Wir erreichen viele Menschen, die teilweise jahrelang nicht beim Arzt waren oder erstmals an einem Präventionsangebot teilnehmen. Ihre Gesundheit profitiert – das wirkt sich positiv auf ihre Teilhabemöglichkeiten aus.“

Ein langer Weg zu inklusiver Gesundheit

Menschen mit Behinderung haben dasselbe Recht auf eine medizinische Versorgung wie alle anderen auch – und darüber hinaus, wenn es aufgrund ihrer Behinderung notwendig ist. So steht es in Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention. Doch was gut und einfach klingt, ist in Wirklichkeit ein langer Weg. Denn in der Realität stoßen Menschen mit Behinderung noch immer auf viele Barrieren im Gesundheitssystem – von räumlichen über Barrieren in der Kommunikation bis zu fehlendem Fachwissen aufseiten der Fachleute. Die Folge: Schmerzen und Krankheiten werden bei Menschen mit komplexen Behinderungen häufig nicht rechtzeitig erkannt und angemessen behandelt. Die Betroffenen leiden unnötig lang an Schmerzen und ihrer Krankheit, sind in ihrer Teilhabe eingeschränkt und versterben im schlimmsten Fall sogar frühzeitig.

Innovation für mehr Gesundheit

  • 2015 Eröffnung eines der bundesweit ersten MedizinischenZentren für erwachsene Menschen mit Behinderung – des Sengelmann Instituts für Medizin und Inklusion. Mitwirken an einer gesetzlichen Grundlage für solche Zentren.
  • Seit 2016 Projekt „Gesundheit 25“ für bessere Strukturen in der wohnortnahen Versorgung und in der Gesundheitsförderung – u. a. Entwicklung von „Fit im Team“.
  • 2020: Das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf hat mit der AOK Rheinland/Hamburg den bundesweit ersten Qualitätsvertrag für eine bessere Versorgung von Menschen mit Behinderung im Krankenhaus abgeschlossen.
  • 2022: Start des Innovationsfondsprojekts „BeSSEr gesund leben“. Gemeinsam mit Partnern hat die ESA ein inklusives Präventionsangebot gestartet. Von der Namensentwicklung bis zur Evaluation sind Menschen mit Behinderung beteiligt. Sie werden von sogenannten Pflegeexpertinnen individuell beraten, wie sie sich in den Bereichen Bewegung, Stress, Sucht und Ernährung gesund verhalten können. Bereichsübergreifende Vernetzung und Zusammenarbeit, zum Beispiel mit „Sport und Inklusion“.

››› Spenden

Damit Menschen mit Behinderung bestmöglich medizinisch versorgt werden, sind wir auf Ihre Spende angewiesen, denn das Gesundheitssystem ist nicht auf sie ausgelegt. So werden Krankheiten oft erst zu spät erkannt oder falsch behandelt. Lassen Sie uns das gemeinsam ändern!

Ev. Stiftung Alsterdorf
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE32 2512 0510 0004 4444 02
BIC: BFSWDE33HAN
Stichwort: Gesundheit für alle