Entscheidend ist, was die Klient*innen brauchen

Beyza Aydin und Julia Baum finden die Vielfältigkeit der Aufgaben in ihrer Ausbildung besonders gut

Bundesweit werden Heilerziehungspfleger*innen dringend gesucht. An der fachschule für soziale arbeit in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf kann dieser wichtige Beruf gelernt werden.

So besonders die Bezeichnung ist, so vielseitig ist der Beruf, der sich dahinter verbirgt: Heilerziehungspfleger*innen sind in der pädagogischen Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen tätig und möchten durch Alltagsassistenz und Bildungsangebote deren Teilhabe in der Gesellschaft unterstützen.

Ein großes und wichtiges Betätigungsfeld und dennoch ist der Beruf vergleichsweise unbekannt. „Wir müssen immer wieder erklären, dass wir nicht Heilpraktikerinnen werden möchten“, lachen Beyza Aydin und Julia Baum. Die beiden jungen Frauen absolvieren den Ausbildungsgang als Heilerziehungspflegerinnen an der fachschule für soziale arbeit der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.

„Der Beruf der Heilerziehungspfleger*innen muss dringend bekannter werden“

„Der Beruf muss dringend bekannter werden“, meint Jessica Hruschka, eine der beiden Schulleiterinnen. „Bundesweit sinkt die Zahl der Bewerberinnen an den Fachschulen, während der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften zunimmt. Die Schere geht auseinander.“

An Aufgaben fehlt es den ausgebildeten Heilerziehungspfleger*innen nicht. Sie sind in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen tätig, beispielsweise in Wohngruppen und Tagesförderstätten für Menschen mit Behinderungen.

Sie unterstützen Menschen, damit diese in vielfältigen Lebensbereichen teilhaben können. Dazu gehören unter anderem die Bereiche Freizeit, Wohnen, Arbeit und Bildung.

Die Schulleitung, Gerd Nodorp und Jessica Hruschka, berät jede Schülerin und jeden Schüler individuell über ihre oder seine Möglichkeiten
Die Schulleitung, Gerd Nodorp und Jessica Hruschka, berät jede Schülerin und jeden Schüler individuell über ihre oder seine Möglichkeiten

Es geht darum, Menschen mit Behinderungen in ihrem Alltag zu begleiten und dabei ihre Lebensumgebung so zu gestalten, dass sie ihre Möglichkeiten entfalten und sich ihnen auch neue eröffnen können. Die Selbstbestimmung der Klient*innen steht dabei immer im Zentrum.

„Der Beruf ist ungeheuer vielfältig“, erklärt Jessica Hruschka. „Viele Menschen, die in diesem Beruf arbeiten, bringen Erfahrungen aus einer anderen Ausbildung oder Berufstätigkeit mit. Ebenso können sie ihre individuellen Interessen und Kompetenzen gut einbringen.“

Julia Baum ist zum Beispiel ausgebildete Köchin. „Ich habe in einem inklusiven Betrieb gelernt“, erzählt sie. „Nach der Ausbildung habe ich zwei Jahre in einem Zeitarbeitsbetrieb gearbeitet, doch dann kam Corona und es ging nicht weiter.“

Das gemeinsame Backen und Kochen ist ein wichtiger Bestandteil beim Erproben von mehr Selbstständigkeit
Das gemeinsame Backen und Kochen ist ein wichtiger Bestandteil beim Erproben von mehr Selbstständigkeit

An der Alsterdorfer Fachschule belegte sie zunächst den Ausbildungsgang sozialpädagogische Assistenz, auf den sie dann die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin draufsattelte. Zur Ausbildung gehören umfassende Praxisphasen. Nach der Arbeit in einer Kita ist Julia Baum jetzt in einer Wohneinrichtung in Ahrensburg tätig. „Dort hatte ich einen Klienten, der Schwierigkeiten beim Lesen hat. Weil ich ihn aber für das Kochen begeistert habe, habe ich für ihn ein Kochbuch gestaltet, in dem die einzelnen Zubereitungsschritte mit Fotos dargestellt sind.“

Mit den Klient*innen zusammen entscheiden, was wichtig ist

Offenheit für das, was die Klientinnen brauchen, sei entscheidend, bestätigt Mitschülerin Beyza Aydin. Es sei wenig sinnvoll, mit fertigen Konzepten an die Klientinnen heranzutreten. „Bei meinem Praktikum in der Tagesförderstätte wusste ich zuerst nicht, was wirklich wichtig ist“, erzählt sie. „Dann habe ich gemerkt, dass man das mit den Klient*innen zusammen entscheiden muss. Das hat mir die Augen geöffnet.“ Weil sie merkte, dass so etwas fehlt, hat sie zum Beispiel ein Buch mit laminierten Metaplankarten gestaltet, auf denen die einzelnen Ereignisse im Laufe des Tages auf Bildern dargestellt sind: Aufstehen, Zähneputzen, Mittagessen. Die Bilder sind mit Klettpunkten befestigt und können daher verschoben und neu angeordnet werden.

Um solche Ideen in die berufliche Praxis umzusetzen, ist nicht nur Fachwissen nötig, sondern auch ein gewisses Selbstbewusstsein. Genau das vermittelt die Fachschule. „Bei uns bekommen die Auszubildenden die Fachlichkeit, die sie für den Beruf brauchen, und sie haben den Freiraum, ihre Tätigkeit zu reflektieren“, erklärt Jessica Hruschka.

Die Ausbildung an der Fachschule kann als Vollzeitausbildung mit integrierten Praktika oder berufsbegleitend absolviert werden. Zentraler Inhalt der Ausbildung sind fundierte Kenntnisse über behindertenpädagogisches Handeln. Dazu gehören z. B. auch Kompetenzen in Gesundheit und Pflege, Soziologie oder kreativem Gestalten. Unterstützte Kommunikation, bei der das Sprechen durch Gesten, Bilder und andere Hilfsmittel ergänzt wird, spielt dabei zunehmend eine wichtige Rolle. Die mit ihren Aufgaben verbundenen rechtlichen Fragen stehen ebenso auf dem Lehrplan wie Kurse in Fachenglisch. Eine Facharbeit und eine Prüfung schließen die zwei bis drei Jahre lange Ausbildung ab.

Das Schreddern von Kunststoffverschlüssen und die Erstellung von Granulat zur Weiterverarbeitung ist eines von vielen Beschäftigungsfeldern in der Tagesförderung
Das Schreddern von Kunststoffverschlüssen und die Erstellung von Granulat zur Weiterverarbeitung ist eines von vielen Beschäftigungsfeldern in der Tagesförderung

Für die Ausbildung gibt es sehr unterschiedliche Zugangswege. Die Schulleitung berät jede Schülerin und jeden Schüler individuell über ihre oder seine Möglichkeiten. Um noch mehr junge Leute für ihren Ausbildungsgang zu gewinnen, hat die Fachschule die berufsbegleitende Form vom kommenden Sommer an umgestaltet. Bislang fanden die Veranstaltungen abends statt, was die Teilnahme zum Beispiel für Alleinerziehende nahezu unmöglich machte. Künftig werden die Kurse an zwei Tagen pro Woche gebündelt, was eine Berufstätigkeit an den anderen drei Tagen möglich macht. Die künftigen Heilerziehungspfleger*innen sind bei vielfältigen sozialen Trägern in Hamburg beschäftigt.

„Wir werden die schulische Unterrichtszeit reduzieren und einige Anteile in die praktische Arbeit bei unseren Praxispartner*innen integrieren“, erklärt Gerd Nodorp, ebenfalls Schulleiter der fachschule für soziale arbeit. „Die Auszubildenden erhalten eine Anstellung bei den Trägern, mit denen wir entsprechende Vereinbarungen getroffen haben. Die Rolle der Praxispartner*innen für die Ausbildung wird so gestärkt.“

Auf diese Weise soll es für die Auszubildenden besser möglich sein, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und zugleich für ihr familiäres Umfeld da zu sein und eigenen Interessen und Hobbys nachzugehen. Die Fachschule hofft, auf diese Weise noch mehr Interesse an diesem spannenden Beruf mit dem besonderen Namen zu wecken.


››› Infos

Unsere Ausbildungen:
www.fachschule-heilerziehung.de/unsereausbildungen/

Bewerbungen unter:
www.fachschule-heilerziehung.de/anmeldung/

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