Auf einer Info-Veranstaltung der Politik-AG zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) standen im April Ulrike Kloiber, Hamburger Senatskoordinatorin für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, und Nina Gust, Geschäftsstellenleiterin der Senatskoordinatorin, in der Kulturküche Rede und Antwort.
Rund ein Dutzend politikinteressierter Klient*innen und Beschäftigte der Evangelischen Stiftung Alsterdorf (ESA) diskutierten angeregt darüber, welche konkreten Auswirkungen die UN-BRK auf die gesellschaftliche Teilhabe und den Alltag von Menschen mit Behinderung in Hamburg hat. ESA-Vorständin Hanne Stiefvater begrüßte Ulrike Kloiber herzlich an ihrer alten Wirkungsstätte. Vor ihrer Wahl zur ersten hauptamtlichen Senatskoordinatorin durch die Hamburger Bürgerschaft 2021 war Ulrike Kloiber als Leiterin der ESA-Kita Moorwisch viele Jahre lang Initiatorin und treibende Kraft im Bildungshaus Lurup. In ihrer neuen Funktion ist sie überparteiliche Mittlerin gegenüber Behörden, Bürgerschaft und Senat.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Florian Erdwig, Koordinator im Q8-Projekt Beteiligung im Quartier (BiQ – inklusiv beteiligen). Gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen will Erdwig mit der Politik-AG Klientinnen und Beschäftigten ein politisch-demokratisches Grundverständnis vermitteln und sie dabei unterstützen, eigene politische Interessen einzubringen.
Neue Angebote für Menschen mit Behinderung
„Inklusion ist ein Thema, das alle Menschen in der Stadt betrifft und angeht“, macht Ulrike Kloiber deutlich. „Damit das gelingt, müssen die Behörden und alle Dienstleister*innen noch enger zusammenarbeiten, um noch mehr Quartiersräume und Angebote zur Teilhabe aller zu schaffen. Angebote nur für bestimmte Personengruppen sind nicht mehr zeitgemäß.“ Infolge des Inkrafttretens der UN-BRK in Deutschland hatte der Hamburger Senat das Behindertengleichstellungsgesetz (HmbBGG) auf den Weg gebracht, das 2020 in Kraft trat. Das schreibt unter anderem die Barrierefreiheit aller Behörden und öffentlichen Gebäude sowie eine Schlichtungsstelle vor, die Menschen dabei helfen soll, ihre Rechte gegenüber Behörden durchzusetzen. Des Weiteren wurde ein Landesbeirat für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ins Leben gerufen. „Menschen mit Behinderung müssen noch besser bei Planungsverfahren der Stadt berücksichtigt werden“, so Ulrike Kloiber. „Dazu müssen die eigene Wohnung, die direkte Umgebung ebenso barrierefrei sein wie etwa das behördliche Beteiligungsverfahren. Der digitale Zugang zu Unterlagen und Abstimmungsverfahren ist hier nur ein Beispiel.“
Die Handlungsspielräume der Senatskoordinatorin begrenzen sich dabei auf den öffentlichen Raum. Die Privatwirtschaft, der Handel und das private Gesundheitswesen sind weitestgehend ausgeklammert. Dennoch sieht es Ulrike Kloiber als ihre Aufgabe an, auch diese Bereiche für die Rechte von Menschen mit Behinderung zu sensibilisieren. So befindet sich eine Beratungsstelle für Arbeitgeber*innen in Planung, die diese bei Anträgen und der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen unterstützen soll.
Zentrale Diskussionspunkte: Arbeit und Gesundheit
Ist das Werkstattmodell noch zeitgemäß? Brauchen wir mehr Inklusionsbetriebe? Die persönlichen Erfahrungen der Teilnehmerinnen an der Diskussion sind unterschiedlich. Eine junge Frau erzählt, dass sie froh sei, ihren Beruf in einer Werkstatt ausüben zu können. Eine andere berichtet davon, dass sie trotz zweier beruflicher Qualifikationen nur Absagen von potenziellen Arbeitgebern bekommt. Ulrike Kloiber ist sich sicher: „Wir können die Arbeitgeberinnen trotz festgeschriebener Quote nicht dazu verpflichten, Menschen mit Behinderung einzustellen. Wenn ich aber auf den ersten Arbeitsmarkt möchte, dann muss ich auch die Chance dazu haben.“ Ihre Forderung: Bewerbungsverfahren sollten grundsätzlich barrierefrei gestaltet werden. Die Rolle und Funktion der Inklusionsbeauftragten bei der Begleitung und Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss gestärkt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt lag bei Fragen rund um das Thema Gesundheit und medizinische Versorgung. „Menschen mit Behinderung müssen einen gleichberechtigten Zugang in das Gesundheits- und Pflegesystem sowie den uneingeschränkten Zugang zu ambulanten Versorgungseinrichtungen und Arztpraxen in der Regelversorgung haben – baulich und in der Kommunikation“, sagt Ulrike Kloiber. „Dies beinhaltet auch die freie Wahl von Ärztinnen und Ärzten ihres Vertrauens.“
Am Schluss waren sich alle Teilnehmer*innen einig, dass noch viel passieren muss, damit Menschen mit Behinderung ihre Rechte vollumfänglich wahrnehmen können. Ulrike Kloiber zeigt sich dennoch zuversichtlich: „Menschen mit Behinderung sind heute viel aufgeklärter als in der Vergangenheit. Sie fordern selbstbewusster ihre Rechte ein und werden aktiv für mehr gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft.“
››› Zum Foto oben:
Von links oben bis zu rechts unten sind zu sehen
Tobias Crombach, Kerstin Hopf, Frauke Helmke, Rainer Erler,
Ulrike Kloiber, Markus Plath, Hanne Stiefvater und Florian Erdwig.